Gamification –
Bewegungsförderung digital gedacht!

Julia Müller Technische Universität Kaiserslautern

Um „Bewegungsmuffel“ zu mehr körperlicher Aktivität im Alltag zu motivieren, wurde an der TU Kaiserslautern (TUK) im Rahmen der Initiative „Bewegt studieren – Studieren bewegt“ des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbands und der Techniker Krankenkasse (TK) ein ungewöhnlicher Zugang zur Bewegungsförderung gewählt und das Spiel Game of TUK entwickelt. Game of TUK ist eine app-basierte Bewegungsförderung, die auf dem Gamification-Ansatz beruht. Mit Hilfe von Game-Elementen sollen die eher technisch versierten Studierenden erreicht und diesen über das Spielen zu mehr Bewegung im Alltag verholfen werden.

Gamification – Was ist das?

Gamification bezeichnet das Einsetzen von Game-Elementen sowie Game-Designs in einem Nicht-Spielekontext1. Sowohl Gamification als auch Serious Games, möchten nicht nur der Unterhaltung dienen. Bei Serious Games werden vollwertige Spiele für die Verhaltensänderung konzipiert im Gegensatz zu Gamification, wo lediglich Elemente von Spielen eingesetzt werden2. Elemente können beispielsweise das Sammeln von Punkten, das Erspielen von Abzeichen, Level oder das Vergleichen in Bestenlisten sein3.

Punktejagd mit Game of TUK

Die 12 Fachbereiche und die Bediensteten der TUK sind in fünf „Häuser“ aufgeteilt mit dem Ziel durch das Sammeln von Punkten sein Haus zum Sieg zu führen. Das Spielen im Team entspricht der klassischen Definition von Gamification. Es hat den Vorteil, dass der Druck nicht auf dem*der Einzelnen lastet, sondern dass jede*r die Punkte beiträgt, die er*sie einbringen kann beziehungsweise möchte.

In den vier Wochen Spielzeit können Punkte über drei verschiedene Spielebenen gesammelt werden:

  • Quickies,
  • Weeklies und
  • Events.

Die Spiele Quiz und Eselrennen sind die beiden aktuellen Quickies in der App. Sie sind reine In-App-Spiele, die zum „Daddeln“ konzipiert wurden. Da die Quickies keine Bewegungsförderung darstellen, können sie maximal 30 Mal am Tag gespielt werden und geben nur wenige Punkte – im Gegensatz zu den Weeklies. Pro Woche ist ein Weekly freigeschaltet und durch das Spielen der Wochenaufgaben bewegt sich die*der Spieler*in. Ein Weekly ist zum Beispiel der sogenannte Coin Collector: Pro Tag können 20 virtuelle Coins auf dem Campus und im angrenzenden Pfälzer Wald eingesammelt werden. Um alle Coins einzusammeln, legt die*der Spielende eine Wegstrecke von ~3 km zurück. Hat die*der Spielende alle Coins von dem Tag eingesammelt, gibt es zur Belohnung den SuperCoin, welcher versteckt ist und durch ein Bilderrätsel gefunden werden kann. Die dritte Spielebene bilden die beiden Events in „real life“, also ganz ohne App, einmal zu Beginn und einmal zum Ende von Game of TUK. Dies ist nur ein kurzer Einblick in den Spielkomplex von Game of TUK, vieles mehr haben wir auf unserer Webseite beschrieben.

Erste wissenschaftliche Erkenntnisse

Game of TUK ist ein interdisziplinäres Projekt von Forschungsgruppen der TUK, unter anderem die AG Serious Games Engineering um Jun.-Prof. Marc Herrlich und dem Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich bei der Spielrunde 2018 mithilfe von Fragebögen erhoben, dass 17% der Spielenden zu Beginn von Game of TUK zur Gruppe der „wenig Aktiven“ gehörten, also die WHO-Empfehlung von mind. 150 min nicht erfüllten. Hinzu kamen die 5 % der Spieler*innen, die zu Beginn körperlich inaktiv waren, das heißt außer Gehen keine weitere Bewegung hatten. Insgesamt haben über alle Spielrunden 4.000 Spieler*innen an Game of TUK teilgenommen. Weitere wissenschaftliche Ergebnisse werden noch folgen.

Perspektiven und Weiterentwicklungen von Gamification Ansätzen an der TUK

Durch Modifizierungen konnte Game of TUK in diesem Wintersemester in einer speziellen Ersti-Edition auch zum Onboarding-Prozess der Erstsemester-Studierenden auf Grund des diesjährigen Hybridsemesters genutzt werden. Einzelne Spielelemente wurden hierfür so angepasst, dass die Studierenden die Uni und die Stadt mithilfe des Spiels kennenlernen konnten.
Neben Game of TUK entwickelt der Hochschulsport gemeinsam mit dem Fachgebiet Serious Games Engineering einen Pausenexpress als Virtual Reality (VR) Game. Der Pausenexpress ist eine bewegte Pause, die an vielen Hochschulen von Übungsleiter*innen mit den Bediensteten vor Ort durchgeführt wird. Durch den Einsatz von VR soll eine jüngere Zielgruppe des Pausenexpresses angesprochen werden. Durch das Einsammeln von Gegenständen oder Ausweichen von Hindernissen werden Bewegungsfolgen vorgegeben bzw. ein Feedback zur Bewegungsausführung gegeben. Der VR Pausenexpress wird eher dem Bereich des Serious Games zugeordnet.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Die hier skizzierten Projekte dienen fast ausschließlich der Bewegungsförderung und sind aus Präventionsperspektive verhaltensorientiert, also setzen am individuellen Verhalten und nicht an der Lebenssituation an. Sie bieten einen kleinen Beitrag zum komplexen Gebilde der Studentischen und Betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. -managements. Gamification oder Serious Games sind meiner Meinung nach keine Allheilmittel. Nicht jede Gesundheitsmaßnahme sollte Game-Elemente beinhalten, da sie zum einen nicht für jedes Thema angebracht sind und zum anderen werden wahrscheinlich immer nur die Gleichen angesprochen. Trotzdem hat das Implementieren von Game-Elementen oder Serious Games ein enormes Potential „schwierigere“ Zielgruppen aus der Sicht der Gesundheitsförderung anzusprechen – gerade im Bereich des Studentischen Gesundheitsmanagements. Zumindest sind das Erfahrungen, die wir gemacht haben. Ob unsere Projekte nur so erfolgreich waren, da wir eine technische Ausrichtung der Hochschule haben, gilt es noch zu überprüfen.
Insgesamt befinden wir uns mit solchen Projekten mitten im Spannungsfeld der Digitalisierung. Denn zum einen wollen wir den Menschen von Laptop und Smartphone lösen, um die Gesundheit zu schützen und zum anderen setzen wir digitale Medien ein, um die Gesundheit zu fördern. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Projekte im deutschsprachigen Forschungs- und Praxisfeld, die sich mit dem Komplex des Sports und der Gesundheit im Zeitalter der Digitalisierung beschäftigen. Deshalb lädt die TU Kaiserslautern gemeinsam mit der TK zum Online-Kongress „#Sport #Gesundheit #Digital – Der Kongress zu Chancen und Risiken der Digitalisierung in Sport + Gesundheit“ ein. Am 26. und 27. November können sie mit mir über Game of TUK diskutieren und noch viele weitere spannende Einblicke in Forschung und Praxis erhalten. Die Anmeldung ist bis zum 19. November 2020 möglich. Für Studierende gibt es kostenfreie Tickets in limitierter Stückzahl.


Literatur
1 Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R., & Nacke, L. (2011). From Game Design Elements to Gamefulness: Defining "Gamification". MindTrek'11. Tampere, Finland.
2 Sailer, M. (2016). Die Wirkung von Gamification auf Motivation und Leistung. Empirischen Studien im Kontext manueller Arbeitsprozesse. München: Springer.
3 Zichermann, G., & Cunningham, C. (2011). Gamification by Design - Implementing Game Mechanics in Web and Mobile Apps.